Cortison – 10 Gebote für die Langzeittherapie

Von Prof. Dr. med. Hanns Kaiser, Augsburg

Was ist Cortison?

Cortison ist ein hormonaler Wirkstoff aus der Nebennierenrinde. Es ist eine Vorstufe des eigentlichen Hormons, das Cortisol heißt. Oft verwendet man die Bezeichnung „Cortison“ auch als Sammelbegriff für die in der Therapie bevorzugten Abwandlungen dieses Hormons, die die gleiche Wirkung haben und die in der Wissenschaft als Glucocorticoide bezeichnet werden. Cortison ist für das Zusammenspiel vieler Funktionen im menschlichen Körper verantwortlich, insbesondere für die Aufrechterhaltung des inneren Milieus (Homöostase). Es ist lebensnotwendig.
Cortison hat darüber hinaus die Aufgabe, den Organismus an alle Belastungssituationen (Stress) anzupassen, was durch entsprechende Steigerung der Hormonbildung innerhalb kürzester Zeit geschieht.

Wer braucht Cortison?

Cortison ist absolut unverzichtbar zur Behandlung all jener Patienten, deren Nebennierenrinde nicht in der Lage ist, die jeweils notwendige Hormonmenge selbst herzustellen. In diesen Fällen ist Cortison lebensrettend und ruft bei richtiger Dosierung in aller Regel keinerlei Nebenwirkungen hervor. In viel größerem Umfang werden heute Cortisonpräparate verabreicht, um Entzündungen zu unterdrücken und Immunreaktionen zu dämpfen. Cortison kann in diesem Sinne bei vielen ganz unterschiedlichen Krankheiten erfolgreich eingesetzt werden. Voraussetzung für diese Wirkung ist allerdings, dass höhere Dosen des Hormons verabreicht werden, als sie der Körper normalerweise produziert. Dieser Hormonüberschuss birgt aber das Risiko unerwünschter Wirkungen.

Welche unerwünschten Folgen können auftreten?

Ein länger andauernder Hormonüberschuss kann ein Zustandsbild wie bei der Nebennierenrinden-Überfunktion
(Cushing-Krankheit) hervorrufen: Gewichtszunahme, Vollmondgesicht, Stammfettsucht, Blutdruckanstieg, Blutzuckererhöhung, Muskelschwäche, Kaliummangel, Verminderung der Infektionsabwehr, seelische Veränderungen, Augenstörungen (grauer oder grüner Star) und vor allem Knochenschwund (Osteoporose). Dagegen besteht – entgegen einer weit verbreiteten Meinung – kein Risiko einer Magengeschwürbildung, sofern nicht gleichzeitig nichtsteroidale Antirheumatika eingenommen werden. Die Langzeit-Einnahme höherer Cortisondosen führt zu einer höheren Hormonkonzentration im Blut und beeinflusst so auch den adrenalen (durch die Nebenniere kontrollierten) Regelkreis, der die Cortisonbildung dem jeweiligen Bedarf anpasst.
cortison
(Bild 1 Cortison: Text: Der adrenale Regelkreis, der das Gleichgewicht zwischen den Hormonen CRH (corticotropin releasing hormone), ACTH (adrenocorticotropes Hormon) und Cortisol aufrecht erhält.)
Die Nebennierenrinde bildet dann – da ja kein Bedarf besteht – selber kein Hormon mehr und kann bei längerer Funktionslosigkeit sogar schrumpfen. Für Sie als Patient bedeutet das, dass Sie nicht mehr belastbar sind und in eine bedrohliche Situation geraten können, wenn die Behandlung plötzlich abgesetzt wird.

Ausmaß der unerwünschten Wirkungen und Vorsichtsmaßnahmen

Das Ausmaß unerwünschter Nebenwirkungen ist von der Dosis und der Dauer der Behandlung abhängig. Darüber hinaus spielen aber auch individuelle Faktoren eine große Rolle: Alter und Geschlecht, familiäre Veranlagungen für verschiedene Krankheiten (z. B. Zucker- oder Fettstoffwechselstörung, hoher Blutdruck, Osteoporose, grüner Star).
Bei kurzfristiger Anwendung ist das Risiko selbst bei hoher Dosis gering. In der Langzeittherapie gelten Dosen von
5 mg Prednison pro Tag oder weniger als relativ harmlos. Die Erhaltungsdosis sollte morgens auf einmal eingenommen werden, weil dadurch die körpereigene Hormonproduktion weniger gestört wird. Wenn die Einnahme zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen muss, müssen besondere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden. Die Mehrzahl der unerwünschten Nebenwirkungen bildet sich nach Dosisreduktion oder Beendigung der Behandlung
wieder zurück. Bei Einleitung einer Langzeittherapie mit Cortisonpräparaten sind bei Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes, chronischen Infektionen, grauem oder grünem Star besondere Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Bei Patienten, die nachmittags oder abends ein Cortisonpräparat einnehmen, kann eine Störung der Nebennierenrindenfunktion auftreten. Sie müssen darüber aufgeklärt sein und sollten stets einen Cortisonausweis mit wichtigen Notfallhinweisen mit sich führen.

Osteoporose-Vorbeugung

Auch bei einer Therapie im Niedrig-Dosis-Bereich ist der Knochenschwund (Osteoporose) nicht sicher zu vermeiden, da er meist auf mehreren Ursachen (und nicht allein auf der Cortisontherapie) beruht. Aus diesem Grunde empfehlen sich folgende Vorsichtsmaßnahmen:

  • Vor Behandlungsbeginn und einmal jährlich Knochendichtemessung,
  • tägliche Zufuhr von 1–1,5 g Kalzium sowie Vitamin D in Form von geeigneten Nahrungsmitteln oder Tabletten
  • Einnahme eines Bisphosphonat-Präparats bei bereits bestehender Osteoporose bzw. bei Verminderung der Knochendichte während der Cortisontherapie sowie bei Patienten mit erhöhtem Osteoporose-Risiko (familiäre Belastung, niedrige maximale Knochenmasse, hohes Alter, weibliches Geschlecht, körperliche Inaktivität, Raucher).
Anschrift des Verfassers: Frauentorstr. 22, 86152 Augsburg.
Quelle: Morbus-Bechterew-Journal Nr. 108, März 2007Back Top